Chorische Stimmbildung im Oratorienchor Potsdam

Silke Hähnel-Hasselbach

Chorklang und -ausdruck stehen und fallen neben einer Reihe von Faktoren vor allem auch mit den stimmlichen und klanglichen Fähigkeiten der einzelnen Sängerinnen und Sänger und Ihren Möglichkeiten zum gemeinsamen musizieren. Erst wenn das Klanginstrument jedes Einzelnen durch gezielte und behutsame Übungen an Körper, Geist und Seele auf das bevorstehende Singen, egal ob Chorprobe oder Konzert, vorbereitet ist, können sich die klanglichen Fähigkeiten der einzelnen Stimmen voll entfalten und durch Übung verbessert werden.

Das so vorbereitete Chormitglied kann sich hernach voll auf das "Zusammen-Singen" in der jeweiligen Stimmgruppe, dem gesamten Chor und der instrumentalen Begleitung konzentrieren, ohne auf die Bereitschaft des eigenen Instrumentes stetig prüfend Rücksicht nehmen zu müssen. Was bei professionellen Sängern und Chormitgliedern von der Chorleitung oder des Dirigenten schlicht als "Arbeitsvorbereitung" erwartet wird, nämlich eingesungen zur Probe anzutreten, ist im laien- und semiprofessionellen Bereich nicht immer selbstverständlich. Man kann sogar sagen, das diese wichtige Aufgabe oft sehr stiefmütterlich behandelt wird.

Unkenntnis der Zusammenhänge oder vermeintliche Konkurrenzen zwischen Chorleitungsaufgaben und Stimmbildungsaufgaben führen nicht selten dazu, dass eine konsequente Stimmbildung des einzelnen und/oder des Chores hinten ansteht oder ganz ausfällt. Um aber die vorhandenen Potentiale und Schätze eines Chores heben zu können, ist die Arbeit an der Einzelstimme und am Klang des gesamten Chores unverzichtbar. Wer einmal erlebt hat, wie es sich anfühlt und wie es klingt, wenn man richtig auf die stimmliche Arbeit vorbereitet wurde, möchte diesen Dienst nicht mehr missen.

Wenn das Ziel der Stimmbildung auch vergleichsweise einfach zu benennen ist, "Die Stimme/der Chor ist eingesungen", so sind die Wege dorthin mannigfaltig und teilweise ungewöhnlich anmutend. Übungen zwischen Strenge und Albernheit, Bewegung und Ruhe, am Instrument und am restlichen Körper, alleine oder mit dem jeweiligen Nachbarn, am Geist oder an der Seele wirken für Betroffenen oder Außenstehenden oft seltsam oder sogar peinlich.


Die ungewöhnliche Mischung an Anforderungen an den Sänger oder an den Chor hat seinen Ursprung in der Komplexität des Spannungsfeldes aus körperlicher Anforderung an das jeweilige Stimminstrument, des seelischen Gleichgewichtes der Persönlichkeit des Singenden und der geistigen Präsens und Einstellung des Einzelnen und der Gemeinschaft vor und während des Singens. In einer Welt, die sehr stark von der rationalen Wahrnehmung geprägt zu sein scheint, muss eine derartige Herangehensweise auffallen.


Im Rahmen von fachlich fundierter und verantwortungsbewusster Stimmbildung darf, ja muss der Sänger, bzw. der Chor darauf vertrauen, dass jede einzelne Übung und Herangehensweise dem gesetzten Ziel dient, Stimme und Klang optimal auf die volle Entfaltung und nachhaltige Tragfähigkeit der Stimme einzustellen und beseelte Chormusik zu ermöglichen, die das Publikum berührt und bereichert.


Seit über zehn Jahren gehört die chorische Stimmbildung zum regelmäßigen Ablauf bei Chorproben und Konzerten. Zusätzlich findet parallel zu den Chorproben Stimmbildung in Kleingruppen oder Einzelstimmbildung statt.

(Text: Silke Hähnel-Hasselbach)

Kurzvita Frau Silke Hähnel-Hasselbach

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